Stellungnahme zum zweiten Entwurf des Raumordnungsplans

für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in der Nord- und Ostsee

Zum Verfahren
Im Rahmen der zweiten Konsultationsrunde zur Fortschreibung der Raumordnungspläne für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in der Nord- und Ostsee nehmen wir gerne wie folgt Stellung.

Zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele ist die Wasserstofferzeugung aus Offshore-Windenergie im Rahmen der europäischen sowie der deutschen Wasserstoffstrategie als ein unverzichtbarer Bestandteil identifiziert worden. Auf nationaler Ebene zeigt sich dies darüber hinaus an der expliziten Nennung im kürzlich veröffentlichten Klimapakt wie auch in der angekündigten Bereitstellung entsprechender Mittel im Bundeshaushalt. Die deutsche AWZ und insbesondere der Nordseeraum wird beim Aufbau einer großskaligen Wasserstoffproduktion eine Schlüsselrolle einnehmen.

AquaVentus (AQV)
als übergreifende Initiative von mittlerweile mehr als 60 Organisationen, Forschungsinstituten und Unternehmen hat dieses Potenzial bereits im vergangenen Jahr erkannt. Mit Strom aus Offshore-Windkraftanlagen sollen in mehreren Teilprojekten, die sich jeweils in der deutschen AWZ der Nordsee befinden, ebenfalls auf See im industriellen Maßstab installierte betrieben und so bis 2035 Elektrolyseanlagen mit  einem Gesamtvolumen von 10 Gigawatt (GW) errichtet werden – dies entspricht einer Erzeugungskapazität von jährlich bis zu 1 Million Tonnen Grünen Wasserstoffs, mit denen heute ungefähr die Hälfte der hiesigen Stahlindustrie versorgt werden könnte. [1]  Der Abtransport des Offshore erzeugten Wasserstoffs erfolgt mittels der AquaDuctus-Sammelpipeline. Die Transport-Pipeline erfüllt dabei zwei notwendige Funktionen: Zum einen transportiert sie den Wasserstoff an Land; zum anderen sorgt sie für das notwendige Energie/Rohstoff-Speichervermögen.

Vor diesem Hintergrund bedauern wir, dass das Thema Wasserstoffproduktion im vorliegenden Entwurf nicht die Berücksichtigung findet, die mit Blick auf die engagierte Wasserstoffstrategie des Bundes und der EU geboten wäre. Selbstverständlich ist uns bewusst, dass die zur Rede stehenden Wasserstoffprojekte bis zu einer Detailplanung bzw. Realisierung noch einige Jahre benötigen werden. Da die Raumordnungspläne für die AWZ aber erfahrungsgemäß eine sehr lange Bestandphase haben, muss eine Berücksichtigung  der nachfolgenden Punkte noch in dieser Fortschreibung erfolgen.

1. Gleichstellung von Wasserstoff- und Stromerzeugung
Der Entwurf des Raumordnungsplan für die deutsche AWZ in der Nord- und Ostsee (Stand 2.6.20021) weist erfreulicherweise bereits zusätzliche Flächen für die Windenergie aus. Nicht klargestellt wird dabei, dass auf diesen Flächen neben der konventionellen Stromerzeugung auch die Erzeugung von Grünem Wasserstoff zulässig ist. Dies hatte das BSH im Rahmen des Konsultationsverfahrens (11.6.2021) allerdings bestätigt. Zur Erhöhung der Planungssicherheit für die Vorhabenträger und Investoren von Wasserstoffprojekten muss dieser Punkt aber auch im ROP deutlich gemacht werden. Es dürfen keine Zweifel mehr bestehen, dass die ausgewiesenen Gebiete für Windenergie (Vorrang- und Vorbehaltsgebiete) in jeweils vollem Umfang auch für die Erzeugung von Wasserstoff genutzt werden können.

2. Klarstellung Sammelbegriff “Leitungen”
Ausführungen zu den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung im Hinblick auf Leitungen finden sich in Kap. 2.2.3 des ROP.  Abs. 5 macht Ausführung zur dauerhaften Überdeckung von Strom- und Datenleitungen.  Ausführungen zu Wasserstoff-Pipelines finden sich dagegen nicht. Für den Abtransport des Offshore erzeugten H2 sind sie indes entscheidend: Über das Pipelinesystem AquaDuctus werden die zum Abtransport des in der AWZ erzeugten Wasserstoffs erforderlichen Kapazitäten bereitgestellt. Die Pipeline erfüllt dabei nicht nur eine Transportfunktion, sondern verfügt in Abhängigkeit von der Dimensionierung über ein erhebliches Speichervermögen und ersetzt damit bis zu fünf Hochspannungs-Gleichstromübertragungs-Anbindungen (HGÜ), die erforderlich würden, um den Elektrolysestrom an Land zu transportieren. Der pipelinegebundene Transport von Wasserstoff entspricht daher in besonderem Maße dem Gebot der sparsamen Flächeninanspruchnahme. Die zum Abtransport des Offshore erzeugten Wasserstoffs erforderlichen Pipelines sind daher gleichberechtigt zu Stromleitungen zu betrachten. Nur bei Vorhandensein einer entsprechenden Infrastruktur wird der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft auch gelingen, wie ihn die Nationale Wasserstoffstrategie und der Klimapakt postulieren. Es muss klargestellt also werden, dass auch Pipelines zum Abtransport von mit Offshore-Windkraftanlagen erzeugtem Wasserstoff unter den hier verwendeten Leitungsbegriff fallen.

3. Erschließung Entenschnabel und Vorbereitung internationaler Anbindungen
Um langfristig noch größere Mengen an Grünem Wasserstoff innerhalb eines europäischen Heimatmarktes generieren zu können, sollte die Zusammenarbeit der Nordsee-Anrainerstaaten im Bereich der offshore Windenergie- und Wasserstofferzeugung gestärkt werden. Hierfür sprach sich auch die Bundesregierung in ihrem letzten Bericht zur Maritimen Wirtschaft aus. AQV strebt daher langfristig eine gemeinsame Nordsee-Offshore-Strategie durch die Nordsee-Anrainerstaaten an. Um aber eine internationale Anbindung zu gewährleisten, müsste das Vorbehaltsgebiet für die Leitung LN 1 bis an das Ende des „Entenschnabels“ verlängert werden.
Mit Blick auf den für eine vollständige Dekarbonisierung erforderlich werdenden Bedarf nach Grünem Wasserstoff[2] ist abschließend noch zu konstatieren, dass trotz Ausweitung der Flächen für die Windenergienutzung, diese nicht ausreichen werden, um neben der konventionellen Stromerzeugung ausreichend Energie für die Produktion von Grünem Wasserstoff verfügbar zu machen. Insofern sollte noch einmal überprüft werden, welche Flächen im ROP noch bereitstehen.

In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass der Ausweisung der Flächen für die militärische Nutzung als Vorbehaltsgebiet kein formeller Konsultationsprozess, sondern lediglich eine formlose Mitteilung durch das Bundesverteidigungsministerium zugrunde lag. Da die ausgewiesenen Flächen von allen konkurrierenden Nutzungen die größte Ausdehnung haben und nicht ersichtlich ist, dass jemals der tatsächliche Bedarf an Flächen für die militärische Nutzung überprüft wurde, ist nach unserer Einschätzung auch hier zu untersuchen, inwieweit für diese Nutzung ausgewiesene Flächen dem politischen Ziel des Ausbaus erneuerbarer Energien entgegenstehen. Von einer Bedarfsanalyse ausgehend sollte im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Abwägung festgestellt werden, an welchen (ggf. alternativen) Standorten und in welchem Umfang Gebiete der militärischen Nutzung vorbehalten werden. Denn die jetzt ausgewiesenen Flächen eignen sich aufgrund ihrer relativen Küstennähe und mangels anderweitiger Konkurrenzen auch hervorragend für die Nutzung durch Windenergie und würden hierbei für die deutschen Stromverbraucher aufgrund der küstennahen Produktion zu erheblichen Einsparungen führen. Es kann keineswegs als gesichert oder auch nur wahrscheinlich angesehen werden, dass die durch eine Verlagerung der Windenergienutzung in küstenfernere Gebiete entstehenden Mehrkosten durch etwaige Einsparungen bei der Bündnis- und Landesverteidigung durch Nutzung dieser spezifischen Gebiete aufgefangen werden können.

Soweit eine Ausweisung als Vorbehaltsgebiet beibehalten wird, sollte in den Gebieten ohne andere Nutzungskonkurrenzen zugleich eine Ausweisung als Vorbehaltsgebiet für die Windenergienutzung erfolgen. Alternativ sollte jedenfalls klargestellt werden, dass der Ausweisung als Vorbehaltsgebiet für die militärische Nutzung eben keine tiefgreifende Prüfung der tatsächlichen Erfordernisse zugrunde liegt und bei etwaiger Durchführung einer solchen Prüfung sowie einer Kosten-/Nutzenanalyse diese ggf in Teilen auch der Windenergienutzung zur Verfügung gestellt werden könnten, um diese Möglichkeit im Raumordnungsplan bereits anzulegen.

[1] https://www.bdew.de/online-magazin-zweitausend50/schwerpunkt-europa/eu-wasserstoffstrategie-eine-fuer-alles/ (zuletzt abgerufen am 17.6.2021)

[2] Der Bedarf  nach Grünem Wasserstoff ist riesig. Allein in Deutschland wird er für das Jahr 2030 auf 20 TWh geschätzt, bis 2050 steigt er weiter auf 800 TWh, vgl. Hebling, C., Ragwitz, M., Fleiter, T. [u.a.], Eine Wasserstoff-Roadmap für Deutschland, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg, unter Beteiligung des Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Halle und Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, Dresden, Karlsruhe, Freiburg 2019, S. 10.